Arbeitslos, beziehungslos, nutzlos...

Essay von Hans E. Ulrich


Kinder? Fehlanzeige!

Aber wir brauchen gar nicht so weit zu gehen, um den Niedergang der menschlichen Art zu beobachten. Nicht nur in Deutschland nimmt die Zahl der Geburten ständig ab, die Eheschließungen ebenso und die Zahl der Scheidungen wächst. Nach der Horde folgte die Großfamilie, dann die Kleinfamilie und nun der Single. Kinder? Fehlanzeige. Nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung hält Kinder für eine Bereicherung (emnid). 2006 wurden in Deutschland mit 672000 so wenig Kinder wie noch nie geboren. Natürlich gibt es zur Zeit reichlich viele Menschen auf der Erde, aber ob das so bleibt?

Ein schönes Beispiel für eine asymptotische Entwicklung ist die Entwicklung der Weltbevölkerung.


Das Wachstum explodiert, aber es zeigt sich auch deutlich, dass die Zahl der Geburten in manchen Ländern deutlich zurückgeht. Wieweit dieser Trend durch den gegenläufigen Trend der Verlängerung der Lebensdauer kompensiert wird, wird sich noch zeigen. Auf jeden Fall scheinen in wirtschaftlich prosperierenden Ländern geringere Chancen zu bestehen, dass Paare zusammenkommen, die Kinder in die Welt setzen wollen und wenigstens einige Jahre zusammenbleiben. Wurden in Deutschland in den 50iger Jahren noch 98% aller Kinder in einer Familie mit Vater und Mutter geboren, so lebt heute jedes dritte Kind nicht in einer klassischen Familie, sondern stattdessen ohne Vater (15%), ohne Mutter (2%), mit unverheirateten Eltern (6%) oder mit neuer Familie, im Patchwork-Modell (9%) (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung). Aber nicht nur in Deutschland laufen derartige Entwicklungen. So bekamen in Thailand in den siebziger Jahren die Frauen im Durchschnitt noch 7 Kinder, heute sind es nur noch 1,3.

Die Frau von heute hat es satt, immer nur am Herd zu stehen und für den Haushalt zu sorgen. Sie gibt dafür meistens ihren Beruf auf mit dem Ergebnis, dass sie entweder nach 10 und mehr Jahren Berufspause keinen adäquaten Job mehr bekommt und/oder sogar als Alleinerziehende übrigbleibt, die erst recht keine vernünftige Arbeit bekommt, die ihren Lebensumständen und ihren Fähigkeiten entspricht.


Familie/Gemeinschaft? War einmal!

Der Übergang von der herumstreifenden Horde zur sesshaften Dorfgemeinschaft wurde möglich, weil sich Techniken zur regelmäßig erzeugten Getreideernte entwickelten, die es den damaligen Menschen erlaubten, ein Haus zu bauen, einen Acker zu bewirtschaften und sich gegen Feinde mit einer Mauer o.ä. zu verteidigen. In den Häusern lebte die Großfamilie bis ins 20. Jahrhundert hinein. Erst dann kam eine andere Entwicklung auf, die die Familie zu spalten begann. Junge Familien beanspruchten mehr Platz für sich, Altersheime wurden modern und berufliche Mobilität wurde zum Sinnbild der beruflichen und finanziellen Karriere. Nicht umsonst „erfand“ Bismark 1883 die Sozialversicherung.

Die Auflösung der Beziehungen sieht man auch deutlich an der nachbarlichen Kommunikation. Nach dem 2. Weltkrieg z.B. halfen sich diese gegenseitig die zerstörten Häuser wieder aufzubauen oder in Siedlergemeinschaften neu zu bauen. Daraus entstanden lebenslange Freundschaften, die auch über rein nachbarschaftliche Beziehungen hinausgingen und in Ehen und beruflichen Partnerschaft mündeten. Bei Vereinen und Clubs, wo um die Ehre zu siegen gekämpft wurde, war es ähnlich.

Wer geht heute noch in einen Sportverein? Wer trifft sich heute noch mit seinem Nachbarn? Kriege sind Gott sei Dank selten geworden. Die meisten hocken in ihrer Freizeit allein oder allenfalls mit einem Teil der Familie bevorzugt vor dem Fernseher oder Computer und gehen gerade mal raus, um mit dem Auto neues Bier oder Würstchen zu holen. Mal mit dem Nachbarn klönen oder mit der Verkäuferin? Kontakte? Ist zu anstrengend. Nein, danke! Ich komme allein zurecht.

Noch in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts war der Alltag der Hausfrau vollgestopft mit Arbeit. Allein das Wäschewaschen erforderte stundenlanges Schuften mit Waschkessel und Wringer. Heute ein Paar Knopfdrücke und die Wäsche ist sauber, trocken und liegt fast im Wäscheschrank. Man kann damals nicht auf die Idee, es könnte noch ein anderes Leben geben jenseits des grauen Alltags voller Mühe und Plage, auch für den kräftezehrenden Job des Mannes.

Aber die Maschinen schafften Platz für Freizeit und Konsum. Die Arbeitszeit verringerte sich kontinuierlich und die Einkommen stiegen an. Reisen, Sport, Essen, Trinken, Kleidung, Computer, Autos: alles wurde und wird massenhaft konsumiert. Zum Wohle der Wirtschaft, aber auch der Menschen, denen es auf breiter Front wesentlich besser geht als noch vor dem 2. Weltkrieg.

Die Frau als Sklave des Mannes, verantwortlich für Küche und Kinder, abhängig von seinem Einkommen und seiner Willkür, das war einmal. Die Frau von heute setzt auf Selbständigkeit, auf einen eigenen lebenslangen Beruf, auf Karriere und persönliche Entwicklung. Und wenn der Mann nicht mitspielt, z.B. auch zu Hause bleibt, wenn Kinder kommen, dann geht sie ihre eigenen Wege und die Beziehung bleibt auf der Strecke.

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Über den Autor

Hans.E. UlrichDr. Hans E. Ulrich ist Sozialwissenschaftler sowie Gründer und Leiter eines international ausgerichteten Weiterbildungsinsituts.

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